Menschen heiraten aus Liebe. Menschen heiraten auch, weil sie sich Absicherung Stabilität und Sicherheit wünschen. Doch wie abgesichert ist man durch die Ehe? Unterhalt während aufrechter Ehe oder auch noch danach – lohnt es sich darum zu streiten? Die Idee vom nachehelichen Unterhalt ist in der breiten Bevölkerung sagenumwoben und es gibt diesbezüglich viele Missverständnisse. Viele Menschen glauben, dass man nach einer Scheidung automatisch Unterhalt von der oder dem besserverdienenden Ex bekommt. In der Praxis erlebt man auch immer wieder, dass Menschen nur „wollen was ihnen zusteht“ und dann feststellen müssen, dass das gar nicht so viel ist. Auf der anderen Seite sind Menschen teilweise angesichts einer anstehenden Scheidung gelinde gesagt unwillig und nicht sehr angetan von der Idee, vielleicht für sehr lange Zeit Unterhalt bezahlen zu müssen. Wie sieht die Situation rechtlich tatsächlich aus?
Die wichtigsten Fakten zum nachehelichen Unterhalt
Es gilt, zwischen Unterhalt während aufrechter Ehe und Unterhalt nach einer Scheidung zu unterscheiden. Während einer Ehe sollte jede Person nach ihren Kräften zum gemeinsamen Leben beitragen, wobei auch die Haushaltsführung als vollwertiger Beitrag zu werten ist. Man könnte auch sagen, in einer Ehe, „hat das Geld kein Mascherl“. Oder ganz stark vereinfacht, egal wer Geld verdient, zugutekommen sollte es beiden. Führt eine Person den Haushalt und ist deshalb nicht erwerbstätig oder kümmert sich eine Person mehr um die gemeinsamen Kinder und arbeitet deshalb nur wenig außer Haus, hat diese einen Unterhaltsanspruch gegen den anderen, besserverdienenden Ehepartner. Kümmert sich der Ehemann beispielsweise hauptsächlich um Haushalt und Kinder, während seine Ehegattin gut verdient, kann sie sich, neu verliebt und frisch aus dem ehelichen Haus ausgezogen, nicht einfach ihrer Unterhaltsverpflichtung ihrem Ehemann gegenüber entledigen. Zugegebenermaßen ist die Ehe meist am Ende, wenn eine Person gerichtlich den Ehegattenunterhalt mittels Klage durchzusetzen versucht.
Schuldig geschieden- was heißt das für den Unterhalt?
Die Regelungen zum nachehelichen Unterhalt sind in Österreich kompliziert. Wichtigste Frage ist zunächst, ob einer der beiden Eheleute allein bzw. überwiegend schuld ist an der Scheidung. Ist das der Fall und verdient die schuldige Person wesentlich mehr, so wird diese der anderen Person gegenüber grundsätzlich unterhaltspflichtig. Wer schuldig geschieden wird, muss also vielleicht für die andere Person auch noch nach der Scheidung bezahlen. Hat die unterhaltsberechtigte Person kein eigenes Einkommen, muss der oder die Unterhaltszahlerin unter Umständen 33 % des monatlichen Nettoeinkommens abgeben.
Wenn beide erwerbstätig sind, werden 40 Prozent vom Gesamteinkommen beider, abzüglich des eigenen Einkommens des Unterhaltsempfängers zur Berechnung herangezogen. Anders als beim Kindesunterhalt gibt es beim nachehelichen Unterhalt für den oder die Ex-Gattin auch keine „Luxusgrenze“. Das bedeutet, wer viel verdient, zahlt auch viel. Streit um den Unterhalt zahlt sich meist nur dann aus, wenn der oder die Noch- Partnerin gut verdient. Anderseits führt das aktuell geltende Verschuldensprinzip auch dazu, dass Menschen, die auf nachehelichen Unterhalt angewiesen sind, ein strittiges Scheidungsverfahren durchstehen müssen.
Gibt es auch nachehelichen Unterhalt ohne schuldige Scheidung?
Anspruch, auf den oben genannten angemessenen nachehelichen Unterhalt, hat man regelmäßig nur dann, wenn die andere Person am Ehe-aus schuld ist. Kommt das Gericht zur Ansicht, dass beide schuld sind am Scheitern der Beziehung kann dem bedürftigen, einkommenslosen Ehegatten ein sogenannter Billigkeitsunterhalt zugesprochen werden, der aber gering und nur als Überbrückungshilfe gedacht ist. Es gibt allerdings auch noch andere, verschuldensunabhängige Konstellationen, nach denen nachehelicher Unterhalt gezahlt werden muss. Dieser Unterhalt ist nicht so attraktiv, wie der verschuldensabhängige, weil einerseits betragsmäßig geringer und meist zeitlich befristet.
Das Gesetz sieht verschuldensunabhängigen Unterhalt nach der Scheidung, im „Kindererziehungsfall“ oder auch im „Aufopferungsfall“ vor. Beim Kindererziehungsfall geht es darum, dass einer Person nach der Scheidung wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes nicht zugemutet werden kann, sich selbst zu erhalten. Diese Unzumutbarkeit der Selbsterhaltung wird gesetzlich bis zum 5. Lebensjahr des Kindes vermutet, wobei in berechtigten Fällen auch eine längere Notwendigkeit von Unterhalt gegeben sein kann.
Was gibt es noch zu sagen?
Im sogenannten „Aufopferungsfall“ geht es darum, dass eine Person während der Ehe den Haushalt geführt oder auch gemeinsame Kinder oder Angehörige gepflegt hat und deshalb nicht (mehr) in der Lage ist, sich selbst zu erhalten. Führt zum Beispiel eine Frau langjährig den Haushalt und kümmert sich, Mitte 50, um die Schwiegermutter und pflegt diese, wird sie im Fall einer Scheidung aufgrund der längeren Abwesenheit vom Arbeitsmarkt und ihres Alters schlechte berufliche Chancen haben. Zu beachten ist allerdings, dass besonders schwere Eheverfehlungen oder eine selbstverschuldete Bedürftigkeit selbst in den hier genannten Fällen einem Unterhaltsanspruch entgegenstehen können.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es im Rahmen einer anstehenden Scheidung immer noch sinnvoll ist, die eigenen Chancen in einem möglichen Scheidungsverfahren auszuloten und bei der eigenen Vergleichsbereitschaft entsprechend einzukalkulieren.
Dieser Beitrag wurde erstmals am 02. August 2022 bei „Der Standard“ veröffentlicht.
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