Die Zahl der Eheschließungen ist in Österreich seit einigen Jahren relativ konstant. Viele Menschen, verbinden aber mit der Institution der Ehe gewisse Ressentiments und fürchten finanzielle Nachteile durch die Ehe. Diesen Ressentiments wollte auch der Gesetzgeber entgegentreten, als er vor einigen Jahren ermöglichte, schon im Vorhinein, also vor einer im Raum stehenden Scheidung, Vereinbarungen über die Ehewohnung zu treffen.
Was ist die Ehewohnung?
Ehewohnung, was ist das eigentlich? Vereinfacht ausgedrückt, ist die Ehewohnung eine auf Dauer angelegte Bleibe, in der die Eheleute gemeinsam wohnen. Bei der Ehewohnung muss es sich nicht um ein klassisches Drei-Zimmer-Apartment in einem Mehrparteienhaus handeln. Es kann auch ein Wohnmobil, ein Haus, ein Boot oder ein Schrebergartenhäuschen sein. Es geht darum, dass sich das Ehepaar nicht nur vorrübergehend dort aufhält, sondern den gemeinsamen Lebensmittelpunkt in den Räumen sieht. Auch Menschen, die keine Spezialisten oder Expertinnen auf dem Gebiet des Familienrechts sind, beschleicht eine Ahnung, dass „die Ehewohnung“ bei einer Scheidung zum Problemfall werden kann. Man fürchtet um sein Eigentum.
Die Einteilung als Ehewohnung hat weitreichende Wirkung. Die Ehewohnung und ihre Bewohner und Bewohnerinnen werden besonders geschützt. Der Schutz gilt während aufrechter Ehe, egal wem die Wohnung gehört oder wer verfügungsberechtigt ist. Sprich: Auch wenn ein Eheteil, Eigentümerin oder Hauptmieter einer Wohnung ist, darf man die andere Person nicht einfach rauswerfen. Selbst dann nicht, wenn man sich noch so erbittert im Streit befindet. Es wird manchen Menschen erst im Streitfall bewusst, dass sie den oder die Partnerin, die ein dringendes Wohnbedürfnis hat, während aufrechter Ehe nicht zwingen können auszuziehen.
Dringendes Wohnbedürfnis in der Ehewohnung?
Ein dringendes Wohnbedürfnis wird von den Gerichten dann angenommen, wenn der Ehepartner oder die Ehepartnerin keine andere Wohnmöglichkeit parat hat, die dem bislang gelebten Standard in etwa entspricht. Lebt also die Familie in einer Villa der Ehefrau, in einem Wiener Nobelbezirk, kann man den Ehemann, der sich um die kleinen gemeinsamen Kinder kümmert, nicht in die Einzimmerwohnung am Stadtrand ausquartieren.
Sonderstellung der Ehewohnung bei einer Scheidung?
Auch nach der Scheidung, wenn es um die Aufteilung geht, nimmt die Ehewohnung eine Sonderstellung ein. Ganz generell, sind Sachen, die ein Eheteil bereits vor der Ehe besessen hat, die geschenkt oder geerbt wurden, im Fall einer Scheidung nicht aufzuteilen. Bei der Ehewohnung kann das anders sein. Auch wenn eine Person schon vor der Eheschließung Eigentümer oder Eigentümerin einer Immobilie war, kann diese unter Umständen in die Aufteilung fallen. Denkbar ist unter anderem, dass die andere Person zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse darauf angewiesen ist, die Wohnung weiter zu benützen. Der bedeutendste Fall in der Praxis ist, dass es im Interesse eines gemeinsamen Kindes liegt, das Haus/die Wohnung weiter zu benützen. Man möchte möglichst verhindern, dass ein Kind aus seinem bisherigen sozialen Umfeld herausgerissen wird und, zB Schule oder Kindergarten wechseln muss.
TIPP: Vereinbarung über das Schicksal der Ehewohnung
Seit einigen Jahren ist es möglich, im Vorhinein einen Vertrag über die Ehewohnung im Fall der Scheidung zu schließen. Gerade wenn man bereits vor der Ehe Eigentümer oder Eigentümerin einer Immobilie ist, hat man ein Interesse sein Eigentum zu sichern. Es lässt sich mittlerweile vertraglich ausschließen, dass die andere Person im Scheidungsfall Ansprüche auf die Ehewohnung geltend machen kann. Ob eine solche Vereinbarung allerdings einem etwaigen späteren Rosenkrieg standhält, ist nicht immer klar. In Extremfällen kann das Gericht nämlich von solchen Vereinbarungen über die Ehewohnung auch wieder abweichen. Das ist einerseits verständlich, weil man die schwächere Person schützen möchte, trägt allerdings nicht unbedingt zur Rechtssicherheit bei.
Die Schutzinteressen des einen Partners, stehen bei den Regelungen rund um die Ehewohnung in einem Spannungsverhältnis zu den Eigentumsrechten der anderen Person. Einen Ausgleich zu finden, der von beiden Seiten als lebbar empfunden wird, ist nicht selten ein Hochseilakt.
Dieser Beitrag wurde erstmal am 20. Juli 2021 bei „DerStandard“ veröffentlicht.