„Ich lasse mich scheiden und will die alleinige Obsorge!“. Der Satz wird so oder so ähnlich in unterschiedlichen Konstellationen rund um eine Scheidung oft gesagt. Der Wunsch nach der alleinigen Obsorge für die Kinder ist manchmal ein großer. In der anwaltlichen Praxis fällt einem, immer wieder die unangenehme Rolle zu, Eltern zu erklären, dass die alleinige Obsorge nach einer Scheidung nicht mit dem Argument zu erlangen ist, dass man einfach keine Lust mehr hat sich mit dem anderen auseinanderzusetzen, sondern dass es dafür gravierende Gründe braucht.

Obsorge in Österreich

Die vom Bundesministerium für Justiz geplante Reform, wonach die Obsorge durch eine „gemeinsame elterliche Verantwortung“ ersetzt werden sollte, ist derzeit nicht spruchreif. Die rechtliche Situation ist in Österreich nach wie vor so, dass wenn Eltern eines Kindes nicht verheiratet sind, die Mutter die alleinige Obsorge (umgangssprachlich Sorgerecht) für das Kind hat. Die Eltern können aber die gemeinsame Obsorge festlegen. Sind die Eltern des Kindes verheiratet, haben sie automatisch die gemeinsame Obsorge. Im Rahmen einer Scheidung geht es auch darum, wie die Situation für die Kinder weitergehen kann. Für eine einvernehmliche Scheidung müssen sich die Eltern einigen, wer die Obsorge nach der Scheidung für das Kind hat und wer wann die Kinder betreut (Kontaktrecht). Während die Obsorge im Alltag nicht immer spürbar ist, ist sie doch relevant. Wer die Obsorge hat oder nicht, ist unter anderem entscheidend für medizinische Fragen, Wohnort, Schule, ect. sprich für wesentliche Dinge im Leben des Kindes.

Was sind Gründe die einen Obsorgeenttzug rechtfertigen?

Seit einigen Jahren geht der Trend klar in Richtung gemeinsame Obsorge. Ein Gericht kann die gemeinsame Obsorge auch dann anordnen, wenn nicht beide Eltern damit einverstanden sind. Sind Eltern beispielsweise nicht verheiratet und hat die Mutter die alleinige Obsorge, der Vater ist aber in das Leben des Kindes involviert und bereit Verantwortung für das Kind zu tragen, wird er im Normalfall erfolgreich sein, wenn er einen Antrag auf gemeinsame Obsorge stellt. Gibt es gravierende Gründe, die gegen eine gemeinsame Obsorge sprechen, wie zB Gewalt, kann das natürlich anders aussehen.

Wenn die gemeinsame Obsorge aber schon besteht, weil die Eltern diese vielleicht vereinbart haben oder weil sie eben verheiratet sind und es keine Einigung über die alleinige Obsorge eines Elternteils gibt, muss ein gerichtlicher Antrag auf Entziehung der Obsorge gestellt werden. Das Gericht stellt in Fragen rund um Obsorge und Kontaktrecht das Wohl des Kindes in den Vordergrund. Das heißt, es geht für das Gericht darum, was für das Kind das Beste ist. Nicht so entscheidend, sind bloße Wünsche der Eltern. Oft wird das Gericht Expertinnen hinzuziehen, wie zB Sachverständige oder die Familiengerichtshilfe, die eine Empfehlung abgibt.

Damit einem Elternteil die Obsorge entzogen wird oder ein Elternteil die alleinige Obsorge übertragen bekommt, braucht es vereinfacht gesagt eine Kindeswohlgefährdung. Es muss auf gut deutsch gravierende Gründe geben. Dass ein Elternteil das Gefühl hat, es wäre „halt leichter, sich nicht ständig mit dem anderen absprechen zu müssen“ ist weder ein Grund für eine alleinige Obsorge, noch ist es ratsam, so etwas gerichtlich vorzubringen. Auch nicht relevant ist meistens, ob eine Person ein schlechter Ehemann oder eine schlechte Ehefrau ist. Sprich, kann man beweisen, dass der andere fremdgeht, ist das zwar hilfreich für das Scheidungsverfahren, hat aber mit der Obsorge normalerweise nichts zu tun.

Manchmal erlebt man, dass Eltern vermeinen, sich die alleinige Obsorge damit „sichern“ zu können, dass sie zB Beweisfotos darüber in petto haben, dass der andere Elternteil vor drei Jahren zum Geburtstag einmal Marihuana konsumiert hat oder in Gesellschaft einmal über den Durst getrunken hat. Hoch gewinnt man mit so einer Argumentation nicht. Drogenkonsum ist per se schlecht, aber auch da wird es auf die Umstände ankommen.  Selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob alle heiligen Zeiten Haschisch geraucht wird oder ob jemand regelmäßig harte Drogen konsumiert und nicht mehr in der Lage ist, im Alltag zu funktionieren.

Derartig kindeswohlgefährdendes Verhalten, das unter Umständen einen Entzug der Obsorge notwendig macht, könnte sein, wenn ein Elternteil wegen schweren Alkohol- oder Drogenmissbrauches oder einer psychischen Erkrankung nicht mehr in der Lage ist sich um die Kinder zu kümmern und oder eine Vernachlässigung der Kinder droht.

Ebenso wird es eine massive Kindeswohlgefährdung darstellen, wenn ein Elternteil zB nachhaltig gegen das Gewaltverbot einem Kind gegenüber verstößt. Dies auch dann, wenn ein Elternteil Gewaltausübungen durch Dritte zB duldet. Oder es könnte es eine Kindeswohlgefährdung sein, wenn ein Elternteil notwendige medizinische Behandlungen verweigert oder das Kind zB einfach ins Ausland verbringt.

Gerichte haben in solchen Obsorgeverfahren eine schwierige Aufgabe. Es sind eine Einzelfallentscheidungen über das Gesamtverhalten der Eltern zu fällen- und: Kindeswohl geht den Elternrechten vor.

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